Ein Werkzeug deines Friedens

 

Franziskus von Assisi

zugeschrieben

 

 

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens.
Wo Hass herrscht, lass mich Liebe entfachen.
Wo Beleidigung herrscht, lass mich Vergebung entfachen.
Wo Zerstrittenheit herrscht, lass mich Einigkeit entfachen.
Wo Irrtum herrscht, lass mich Wahrheit entfachen.
Wo Zweifel herrscht, lass mich Glauben entfachen.
Wo Verzweiflung herrscht, lass mich Hoffnung entfachen.
Wo Finsternis herrscht, lass mich Dein Licht entfachen.
Wo Kummer herrscht, lass mich Freude entfachen.

 

O Herr, lass mich trachten:
nicht nur, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste,
nicht nur, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe,
nicht nur, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe,
denn wer gibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

 

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Bevor ich sterbe, meine Tochter

 

 

 

"Briefe an Claudia"

Jorge Bucay

(Freie Übersetzung aus dem Spanischen) 


Bevor ich sterbe, meine Tochter,
möchte ich sicher sein, dass ich Dich gelehrt habe, die Liebe zu genießen,
Deine Ängste zu überwinden und auf Deine eigene Kraft zu vertrauen,
Dich vom Leben begeistern zu lassen,
um Hilfe zu bitten, wenn Du sie brauchst,
zu sprechen oder zu schweigen, je nach dem, wie es Dir passt,
Deine eigene Freundin zu sein,
keine Angst davor zu haben, Dich lächerlich zu machen,
Dir bewusst zu sein, wie sehr Du es verdienst, geliebt zu werden,
Deine eigenen Entscheidungen zu treffen,
die Anerkennung für Deine eigenen Erfolge Dir zuzuschreiben,

das Verlangen nach der Zustimmung Anderer zu überwinden,
nicht die Verantwortungen für Alles zu übernehmen,
Deine eigene Gefühle wahrzunehmen und daraufhin zu handeln,
zu geben, weil Du es willst und nie weil Du Dich verpflichtet fühlst.


Bevor ich sterbe, meine Tochter,
möchte ich sicher sein, dass ich Dich gelehrt habe,

eine angemessene Bezahlung für Deine Arbeit zu fordern,
Deine Grenzen und Deine Verletzlichkeit ohne Zorn zu akzeptieren,
weder anderen Deine Meinung auf zu erlegen noch zu erlauben, dass andere das mit Dir tun,
"Ja" zu sagen, nur wenn Du das willst, aber auch ohne Schuldgefühle "Nein",

mehr Risiken einzugehen,
die Veränderungen zu akzeptieren und Deine Glaubensätze zu überprüfen,
die Menschen respektvoll zu behandeln und zu fordern, dass sie Dich genau so behandeln,
Dein Glas als erstes zu füllen und erst danach das der anderen,
die Zukunft zu planen, ohne abhängig von ihr zu leben,

Claudia, meine Tochter, ich würde gerne sicher sein,

dass Du gelernt hast, Deine Intuition zu schätzen,
dass Du die geschlechtlichen Unterschiede zelebrierst,
dass Du Mitgefühl und Vergebung als Deine Prioritäten setzt,
dass Du Dich so akzeptierst, wie Du bist,
dass Du beim Lernen von den Begegnungen und Misserfolgen wächst,
dass Du Dir erlaubst, auf der Straße und ohne Grund laut zu lachen.
 
Aber vor allem, meine Tochter,
weil ich Dich über alles auf der Welt liebe,
möchte ich gerne sicher sein, Dir gelehrt zu haben,
niemanden zu vergöttern,
und mich, am wenigsten von Allen.


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Die Liebe

1. Korinther 13,4-7

Gute Nachricht Bibel

 
 Die Liebe ist geduldig und gütig.
Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt,
sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf.
Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus,
sie sucht nicht den eigenen Vorteil.
Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach.
Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht,
sondern freut sich mit, wenn jemand das Rechte tut.
Die Liebe gibt nie jemand auf,
in jeder Lage vertraut und hofft sie für andere;
alles erträgt sie mit großer Geduld.

 

Ast mit Gast, René Kriesch
Ast mit Gast, René Kriesch

 

Angst, Misstrauen, Eifersucht, und Neid sind mit der Liebe nicht vereinbar. Dort, wo die Liebe, die wahre Liebe, ist, herrscht Vertrauen und es gibt keinen Platz für die Angst.

 

 

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Höre auf, dich aufzuopfern!

 

Der kleine Führer zum großen Erfolg, S. 49

Robert T. Betz

 

Sonnenuntergang in El Paso, René Kriesch
Sonnenuntergang in El Paso, René Kriesch

 

Wer sich aufopfert, geht leer aus - und erzeugt Schuldgefühle im anderen. Aufopfern hat nichts mit Liebe zu tun, sondern mit eigenen Schuldgefühlen. Sorge zunächst gut für dich selbst und mache dich Glücklich. Das ist der größte Liebesdienst an deinen Nächsten. Sie werden dir folgen!

 

 

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Hindernisse

 

"Hindernisse"

Viktor E. Frankl

(Aus dem Buch "Hühnersupper für die Seele", Seite 168,

von Jack Canfield und Mark Victor Hansen)

 

René Kriesch
René Kriesch

Wir, die in den Konzentrationslagern gelebt haben, können uns an die Menschen erinnern, die zwischen den Hütten herumgingen und anderen Trost gaben und ihr letztes Stück Brot. Es mögen wenige gewesen sein, aber sie liefern einen ausreichenden Beweis dafür, daß einem Menschen alles genommen werden kann außer das eine: die letzte seiner Freiheiten - seine Haltung in allen nur möglichen Umständen zu wählen, sienen eigenen Weg zu wälen.

 

 

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Der kleine Junge

Helen E. Buckley

Einmal ging ein kleiner Junge in die Schule. 
Es war ein ziemlich kleiner Junge. 
Und es war eine ziemlich große Schule. 
Aber als der kleine Junge
sah, dass er in sein Klassenzimmer 
direkt durch die Außentür gehen konnte, 
war er glücklich. Und die Schule erschien 
nicht mehr so groß.

Einfach - Schön, René Kriesch
Einfach - Schön, René Kriesch
Eines Morgens, 
als der kleine Junge schon eine Weile 
in der Schule war, 
sagte die Lehrerin:
"Heute malen wir ein Bild"
"Gut!" dachte der kleine Junge.
Er malte gern Bilder.
Er konnte alles mögliche malen:
Löwen und Tiger,
Hühner und Kühe,
Eisenbahnen und Boote -
Und er holte seinen Buntstiftkasten heraus
und fing an zu malen.

Aber die Lehrerin sagte:
"Wartet! Es ist noch nicht Zeit anzufangen!"
Und sie wartete, bis jeder bereit war.

"Jetzt", sagte die Lehrerin,
"Malen wir Blumen."
"Gut! dachte der kleine Junge,
er malte gern Blumen,
und er fing an, wunderschöne zu malen,
mit seinen rosa- und orangefarbenen
und blauen Buntstiften.

Aber die Lehrerin sagte:
"Wartet! Und ich werde euch zeigen, wie."
Und sie zeichnete eine Blume an die Tafel.
Sie war rot mit einem grünen Stengel.
"So", sagte die Lehrerin,
"Jetzt könnt ihr anfangen."

Der kleine Junge sah die Blume der Lehrerin an.
Dann sah er seine eigene Blume an.
Er mochte seine Blume lieber als die der Lehrerin.
Aber das sagte er nicht,
er drehte nur sein Blatt um
und malte eine Blume wie die der Lehrerin.
Sie war rot mit einem grünen Stengel.

 

(Bild aus dem Bauhaus-shop)
(Bild aus dem Bauhaus-shop)

An einem anderen Tag,
als der kleine Junge die Außentür
ganz alleine geöffnet hatte,
sagte die Lehrerin:
"Heute machen wir etwas aus Ton."
Gut!" dachte der Junge.
Er mochte Ton.
Er konnte alles mögliche aus Ton machen:
Schlangen und Schneemänner,
Elefanten und Mäuse,
Autos und Lastwagen -
und er fing an, seine Tonkugel
zu ziehen und zu drücken.

Aber die Lehrerin sagte:
"Wartet!" Es ist noch nicht Zeit anzufangen!"
Und sie wartete, bis jeder bereit war.

"Jetzt", sagte die Lehrerin,
"Machen wir eine Schale."
"Gut!" dachte der kleine Junge,
und er fing an, Schalen zu machen,
die alle möglichen Formen und Größen hatten.

Aber die Lehrerin sagte:
"Wartet! Und ich werde euch zeigen, wie."
Und sie zeigte jedem, wie man
eine tiefe Schale machte.
"So", sagte die Lehrerin,
"jetzt könnt Ihr anfangen".

Der kleine Junge sah die Schale der Lehrerin an,
dann sah er seine eigene an,
Er mochte seine Schale lieber als die der Lehrerin.
Aber das sagte er nicht,
er rollte seinen Ton nur wieder zur Kugel zusammen
und machte eine Schale wie die der Lehrerin.
Es war eine tiefe Schale.

Alles Leid dieser Erde, René Kriesch
Alles Leid dieser Erde, René Kriesch
Und recht bald
lernte der kleine Junge, zu warten
und zu beobachten
und alles genau wie die Lehrerin zu machen.
Und recht bald
machte er nichts mehr aus sich selbst heraus.

Dann geschah es,
dass der kleine Junge und seine Familie
in ein anderes Haus zogen,
in eine andere Stadt,
und der kleine Junge
musste in eine andere Schule gehen.

Diese Schule war sogar noch größer
als die andere,
und es gab keine Außentür, die
in sein Klassenzimmer führte.
Er musste einige große Stufen hochsteigen
und durch eine lange Halle gehen.
um in sein Klassenzimmer zu kommen.

Und am allerersten Tag,
an dem er dort war, sagte die Lehrerin:
"Heute malen wir ein Bild."
"Gut!" dachte der kleine Junge,
und er wartete, dass die Lehrerin
ihm sagen würde, was er tun sollte.
Aber die Lehrerin sagte gar nichts.
Sie ging nur im Klassenzimmer herum.

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Würdige dein Leben!

 

Der kleine Führer zum großen Erfolg, S. 15

Robert T. Betz

 

Unscheinbar, René Kriesch
Unscheinbar, René Kriesch

Übernimmst du die Verantwortung für dein bisheriges Leben? Du warst Schöpfer, bist Schöpfer und wirst immer Schöpfer sein. Würdige, anerkenne und segne all deine Schöpfungen und nimm deine Urteile zurück. Du hast es so gut gemacht, wie Du konntests. Vergib dir selbst! So gibst Du dir die Würde zurück, die du dir selbst genommen hast.

 

 

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Sei das Original, das du bist!

 

Der kleine Führer zum großen Erfolg, S. 52

Robert T. Betz


1 vom Baum gefallen, René Kriesch
1 vom Baum gefallen, René Kriesch

 

 

Die meisten Menschen werden als Original geboren und sterben als Kopie. Sie laufen den anderen hinterher, ahmen sie nach und erforschen nicht, was ihr Herz ihnen rät. Finde dein Eigenes in dir, das einzigartige Original und lebe es! Folge den Impulsen deines Herzens und mache dein eigenes Ding hier in diesem Leben.

 

 

 

 

 

 

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Erkenne den Schatz, der Du bist!

 

Der kleine Führer zum großen Erfolg, S. 19

Robert T. Betz

 

Selbst-Wertschätzung, Selbst-Anerkennung und Selbst-Liebe heißen die Schlüssel zu Fülle und Erfolg. Wer sich selbst wertschätzt und liebt, erkennt die Schätze im Außen und empfängt.

Jede einzelne ein Gedanke, René Kriesch
Jede einzelne ein Gedanke, René Kriesch

 

 

 

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Erfülle nur deine eigenen Erwartungen!

 

Der kleine Führer zum großen Erfolg, S. 53

Robert T. Betz


Abgerissen, René Kriesch
Abgerissen, René Kriesch

 

Du bist nicht hier, um die Erwartungen anderer zu erfüllen, auch nicht die Wünsche deiner Eltern. Löse dich davon und gib sie ihnen zurück. Verrate nicht weiter dein Herz, sondern höre auf seine Stimme. Es ist die Stimme Gottes in dir.

 

 

 

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Wachstum

 

Gras unter meinen Füssen, S. 14-15

Bruno-Paul de Roeck


In der Gestalttherapie ist es nicht wesentlich, zu wissen, ob du schon bei der Therapie angelangt bist oder nicht. Wichtig ist, dass du an dir arbeiten willst. Für den einen hört sich das so an: "Ich bin Betriebsleiter (oder Dozent oder Sozialarbeiter) und habe immer mit Menschen zu tun. Das ist mein Beruf, und den will ich so menschlich wie möglich ausfüllen, denn er ist gleichzeitig der größte Teil meines Lebens. Ich will klar erkennen, wo durch meine Fehler die Dinge falsch laufen, vielleicht kann ich dann etwas daran ändern." Für manches Ehepaar ist dies das Motiv: "Wir sind ganz schön festgefahren in unserer Beziehung. Dies schon seit geräumter Zeit. Wir wollen endlich diesen tötenden Bann durchbrechen. Aber wie?"

 

Foto: Nur eine Knospe - René Kriesch

Oder jemand sagt: "Ich werde älter. Im letzten Jahr habe ich ich viel mit dem Sterben beschäftigt. Aber auf eine Weise, die mich lähmt, die mich jetzt schon tötet. Das will ich nicht so hinnehmen." Oder: "Ich habe solche Scheu vor Menschen bekommen, dass ich es kaum noch wage, Besorgungen zu machen" usw. ...Bei diesen nicht bewältigten Dingen knüpft Gestalttherapie an, weil sie verarbeitet sein müssen, bevor wir gesund weiterleben können.

 

Ein gesunder Mensch ist für mich jemand, der guten Kontakt zur Realität hat: zu der großen und der kleinen Welt um ihn herum und in ihm selbst. Ich selbst sehe mich genau dazwischen: zwischen gesund und krank sein. Manchmal neige ich mehr nach links, manchmal mehr nach rechts. So geht es wohl den meisten Menschen, denke ich. So sehe ich es auch als Therapeut - bei all meinen Klienten.

 

Wir leben auf zwei Ebenen. Einmal ist da die Realitätsebene, auf der wir Berührung haben mit unseren eigenen Gefühlen, mit unseren Sinnen, mit dem, was in unserem Körper geschieht, mit dem , was um uns herum vorgeht. Zum anderen gibt es die Ebene, die wir wohl die intellektuell, die Denkebene nennen, auf der wir uns selbst - und damit auch unsere Umwelt - ernsthaft besschummeln. Das ist der Raum, wo wir grübeln. Wo wir uns ausdenken, was die anderen von uns denken oder erwarten, oder von uns denken oder sagen werden. Es ist die Ebene, auf der wir uns selbst gegenüber ständig wiederholen, was wir nicht alles tun würden, wenn wir nur nicht.... auf der wir jahrelang nachsinnen und uns selbst verletzen, ohne einen Schritt voran zu kommen, auf der wir uns alle möglichen Katastrophen vorstellen, die auf uns oder unsere Kinder in der Büchse der Pandora warten könnten. Wo wir jammern über unsere Eltern, die uns haben studieren lassen oder auch nicht, so dass wir jetzt... Das ist die Ebene, auf der wir uns immerfort im Kreise bewegen mit dem Erfinden neuer Begründungen, mit dem Ausgraben alter Probleme, mit Spekulationen über die Zukunft... so dass wir nur ja nicht das Risiko auf uns zu nehmen brauchen, jetzt zu leben. Das ist die Ebene, auf der wir uns selbst krank machen, indem wir das, was wir sind, terrorisieren mit allem, was wir sein möchten oder sein müssen.

 

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Wissen, Fertigkeit und Sein in der Psychotherapie

 

"Wissen, Fertigkeit und Sein in der Psychotherapie"

Victor Levant

 

Der folgende Artikel ist 1997 auf der Jahrestagung der »Quebec Society of Professional Psychotherapists« vorgetragen worden in Antwort auf die Frage: »Welche Haltungen, Fähigkeiten und Talente benötigt ein erfahrener Therapeut?« Ich überlegte, wie man darüber sprechen könnte, ohne etwas zu sagen, was schon gesagt worden ist und ohne Anmaßung oder Überheblichkeit. Dabei kam ich auf das einzige zurück, was ich wirklich weiß, nämlich das, was ich tue. Ich habe versucht, meine Gedanke auf das Wesentliche zu konzentrieren. Im Laufe meiner Überlegungen wurde ich mit meinen eigenen Begrenzungen konfrontiert. Einen Vergleich mit anderen Ansätzen anzustellen, habe ich mich geweigert, ebenso habe ich der Versuchung widerstanden, eine grandiose Theorie zu entwickeln. Ich stelle mich dem Risiko, mich vor meinen Kollegen zu entblößen. Den Text habe ich in einem Rutsch geschrieben, ging ihn noch einmal durch, um sicherzustellen, daß die Worte im Einklang mit mir waren. Ich fragte mich, wie meine Kollegen meine Gedanken auffassen würden: Als ein Mischmasch von trivialen Rezepten oder als die große Schlichtheit, nach der ich strebte. Bewegt ermutigten mich die Kollegen, meine Gedanken mit anderen zu teilen.

 

Victor Levant (Gestaltkritik 02-2002)
Victor Levant (Gestaltkritik 02-2002)

Ich bin ein Gestalttherapeut. Ich kann nur für mich selbst sprechen. Ich arbeite mit einer Reihe von Annahmen.


Wissen bestimmt die Fertigkeit. Die Qualität der letzteren hängt von unserem Sein ab.

 

Für mich gibt es im Universum nur den Sinn, den jedes Individuum ihm gibt.

 

Leben ist eine Abfolge von Prozessen mit bestimmten Rhythmen und Zyklen.

 

Alle gesunden Organismen versuchen, ihre Bedürfnisse durch die Suche nach einem neuen Gleichgewicht zu befriedigen.

 

Wir existieren in Beziehungen zu anderen, ob wir uns dessen bewußt sind oder nicht. Zum Guten oder Schlechten sind wir, wie wir sind.

 

Wir sind verantwortlich für das, was wir denken, tun, sagen oder fühlen.

 

Unser genetischer Code, unsere Haut, unsere Bildung und die Unabänderlichkeit unseres Todes begrenzen uns.

 

Was ist, ist. Was war, war und wird nie mehr wieder sein. Was zählt, ist, was wir hier und jetzt vor uns haben.

 

Was passiert, passiert. Niemandem ist ein Vorwurf daraus zu machen.

 

Nur, wenn wir ohne Bewertung oder »Hintertürchen« akzeptieren, was ist, einschließlich unsere schlechtesten Eigenschaften, kann eine Öffnung stattfinden, aus der etwas Neues entsteht.

 

Verbindlichkeit [commitment] ist die einzige lohnenswerte Antwort, die ich auf existentielle Angst gefunden habe.

 

Klienten kommen in die Therapie, weil sie sich in ihrem Umfeld nicht selbst Unterstützung [support] geben können. Sie fühlen, daß sie sich in Beziehung zu anderen nicht selbst treu bleiben können.

 

Sie fühlen sich schlecht und wollen sich besser fühlen.

 

Ich gehe davon aus, daß die Klienten die Intelligenz besitzen, im tiefsten Herzen zu wissen, was gut für sie ist. Sie haben diese Intelligenz nur vermieden, zurückgewiesen, vergraben oder vergessen.

 

Die Klienten sind grundsätzlich gesund. Ihr Entschluß, sich in Therapie zu begeben, ist eine gesunde Antwort auf ein gefühltes Bedürfnis.

 

Jeder Klient hat seine einzigartigen Erfahrungen, Werte, Wege und Rhythmen der Veränderung.

 

Klienten haben das Recht, vorsichtig, zurückhaltend, rückschrittlich oder stumm zu sein und die Therapie abzubrechen, wann immer sie wollen.

 

Ich konzentriere mich auf das Offensichtliche und das, was entsteht.

 

Im ersten Telefongespräch bin ich ganz Ohr, weil die Klienten mich um Hilfe bitten, und ich öffne mich, um zu hören, wie sie das tun.

 

In der ersten Sitzung horche ich auf die Geschichte der Klienten, darauf, was sie dazu gebracht hat, in die Therapie zu kommen, auf die Emotionen hinter ihren Worten, die wichtig für sie sind, auf die Bedeutungen und die Wertungen, die sie ihren Erfahrungen zuschreiben, auf die Gründe, die sie für ihre Krankheiten anführen, auf den Grad der Verantwortung, den sie für sich übernehmen, und auf alles, was sie getan haben, um ihr Leiden zu lindern, weil das, was sie getan haben, etwas ist, das nicht funktioniert hat.

 

Ich stelle einen therapeutischen Kontakt her, um den Klienten sofort Verantwortung zu übergeben. Ich habe gelernt zu fragen, was sie wollen, wie sie sich vorstellen, daß sie sich gutfühlen würden, wie das ihre Beziehungen beeinflussen könnte, wie lange Zeit die Veränderung ihrer Meinung nach beanspruchen wird und wie sie ihre Rolle sehen. Wenn ich ihre Annahmen als unrealistisch ansehe, sage ich es ihnen.

 

Ich schaffe auch einen sicheren Rahmen für unsere Arbeit als Symbol unserer gegenseitigen Verbindlichkeit: die Dauer und die Häufigkeit unserer Sitzungen, das Honorar und die Frist zur Absage einer Sitzung. Wenn ich Urlaub nehme, sage ich früh genug bescheid, so daß der Klient sich auf meine Abwesenheit einstellen kann.

 

In der Sitzung höre ich dem zu, was die Klienten sagen, suche nach dem, was sie auslassen und was sie als Hauptthema haben. Ich interessiere mich für den Ton ihrer Stimme, ihre Körperhaltung, ihre Gesten, dafür, wie sie gehen, sitzen, stehen, ihren Kopf halten, wie viel Anstrengung sie auf sich nehmen und ob sie am Ende der Sitzung vor mir fliehen oder sich an mich klammern. Ich bin an ihrer Fähigkeit interessiert, ihre Körper zu spüren, die Umwelt wahrzunehmen, ihre Bedürfnisse zu benennen, ihre Kräfte zur Erfüllung ihrer Ziele zu mobilisieren, und an allem, was sie tun, um diesen natürlichen Prozeß zu unterbrechen. Ich arbeite daran, ihnen zu helfen, zugeben zu können, was sie fühlen, erkennen zu können, was sie tun, darüber sprechen zu können, was ihnen am Herzen liegt, sich harmonisch bewegen zu können, mit Gefühl denken zu können. Hierbei achte ich darauf, was ich vielleicht tue, um es zu verhindern.

 

Ich arbeite gern auf einer vor-sprachlichen Ebene, um eine Alternative zu dem analytischen und logischen und narrativen Ansatz anzubieten, der sich meiner Meinung nach nicht genügend am Kontakt orientiert: Traumarbeit, Reizsteigerung, die Klienten fragen, was sie fühlen, wenn sie eine Emotion benennen, sie in einer Geste oder Haltung ein Gefühl ausdrücken lassen, was sie nicht als »ihrs« identifizieren.

 

Ich unterstütze den ehrlichen und authentischen Ausdruck und konfrontiere die Klienten mit lächerlichen und selbsterniedrigenden Ausdrücken. Hierbei höre ich auf die tiefen Bedürfnisse, die oft in versteckter Form ausgedrückt werden. Ich arbeite mit Polaritäten, um das Gleichgewicht und die natürlichen Funktionen wieder herzustellen.

 

Wenn die Klienten einen vergangenen Fehler vorbringen und Strafe oder Absolution erwarten, frage ich sie, was sie gelernt haben. Wenn sie interpretieren, bringe ich sie zurück zu den Fakten. Wenn sie ein Handeln vorschlagen, das im Gegensatz zu ihren Werten steht, frage ich sie, wie sie damit leben werden. Wenn sie jemanden beschuldigen, fordere ich sie auf, die Perspektive des anderen einzunehmen. Wenn sie darüber sprechen, daß sie abgelehnt werden, frage ich sie, wie sie andere oder sich selbst ablehnen. Ich kann sie auffordern, eine Geste, eine Angewohnheit, eine verquere Haltung zu übertreiben, oder ihre Anspannung zu lockern.

 

Wenn sie mich auffordern, ihre Träume zu interpretieren, lade ich sie ein, in Gegenwartsform und als Ichperson die wichtigsten Objekte, Personen oder Eindrücke zu beschreiben. Manchmal schlage ich als Verstärkung vor, daß sie die Worte hinzufügen: »Und das ist meine Existenz.«

 

Wenn ich etwas als Überreaktion einschätze, frage ich, an welche Situation es sie erinnert; ebenso bei Übertragung. Wenn sie mir eine Frage stellen, fordere ich sie auf zu sagen, was sie denken. Und wenn ich mich entschließe zu antworten, tue ich das ehrlich und ohne Zuckerguß.

 

Wenn sie ihr Leid unerträglich finden, kann ich mein eigenes mitteilen und zeige ihnen meinen eigenen Schmerz.

 

Wenn sie unfähig sind, eine Emotion zu identifizieren, flüstere ich ihnen ein Wort zu oder schlage vor, daß sie ihre Gefühle malen.

 

Wenn Klienten über einen sterbenden Angehörigen weinen, frage ich, wann sie um sich selbst trauern.

 

Wenn Klienten Schuldgefühle zeigen, prüfe ich, ob sie Ressentiments fühlen.

 

Wenn sie etwas vergessen, was sie in der vorausgehenden Sitzung gesagt haben, rufe ich das möglicherweise ins Gedächtnis.

 

Ich zeige an, wann sie sich in der Vergangenheit und wann in der Zukunft aufhalten. Wenn sie versuchen, alles zu kontrollieren, erinnere ich sie an die Kräfte, die über uns stehen.

 

Wenn ich gerührt oder gelangweilt bin, sage ich das. Wenn ich ärgerlich, kraftlos oder unfähig bin, kann ich mich entschließen, ihnen zu sagen, wie ich mich fühle. Ich teile ihnen mit, welche Botschaften ich aus dem entnehme, was sie sagen. Wenn mir ein Bild kommt, drücke ich das aus. In günstigen Gelegenheiten lasse ich Versuchsballone steigen.

 

Obwohl ich dafür ausgebildet bin, »Gestaltspiele« zu machen, setze ich sie nur selten ein. Ich verwende manchmal den »leeren Stuhl«, um einen Dialog zwischen den Klienten und den abgespaltenen Merkmalen ihrer Persönlichkeit oder interpersonalen Konfliktsituationen herbeizuführen, damit sie erkennen, wie sie ihre abgelehnten Anteile auf andere projizieren.

 

Oft fordere ich meine Klienten auf, einfach die Existenz eines Gefühls oder einer Tatsache zu akzeptieren. Oft sind sie dazu nicht in der Lage. Dann fordere ich sie auf, diese Unfähigkeit zu akzeptieren. Normalerweise klappt das, und das ist der Beginn der Veränderung.

 

Aber hauptsächlich geschieht es in der Stille zwischen uns, daß die Klienten in sich gehen und fühlen, was vor sich geht.

 

Meine Rolle als Therapeut ist es, meinen Klienten zu helfen, ihr Leiden zu erleichtern. Dies erfordert meinerseits sowohl persönliche Disziplin als auch eine professionelle Ethik.

 

Klienten mit psychosomatischen Symptomen müssen medizinisch untersucht werden. Das gleiche gilt für klinisch Depressive, um organische Ursachen auszuschließen.

 

Wenn ich mich mit einem Klienten wiederholt in Sackgassen befinde, nehme ich Supervision. Wenn ich das Gefühl habe, einem Klienten nicht helfen zu können, überweise ich ihn.

 

Während der Sitzung achte auf mich selbst. Ich widme meinen eigenen körperlichen Wahrnehmungen Aufmerksamkeit. Ich stehe auf und nehme mir ein Glas Wasser, wenn ich durstig bin. Ich lasse mindestens eine halbe Stunde Zeit zwischen zwei Klienten, um Notizen zu machen und den Kontakt ausklingen zu lassen, um offen für den nächsten zu sein. Ich hinterfrage mein eigenes Bedürfnis, Therapeut zu sein. Und ich arbeite daran, meine eigenen persönlichen Unannehmlichkeiten zunehmend zu akzeptieren.

 

Emphatisches Zuhören - ja. Aber nicht auf Kosten meiner eigenen geistigen Gesundheit. Mitgefühl - sicherlich. Aber maßgeschneidert auf die Notwendigkeiten des Momentes.

 

Wir sind, wer wir sind, ob es uns paßt oder nicht. Menschen sind nicht perfekt. Auch Therapeuten nicht. Das brauchen sie auch nicht zu sein. Die Fähigkeit, verbindlich zu sein, ist ausreichend. Wenn wir uns auf unseren Klienten eingelassen haben, wird unsere Gegenwart neu definiert, unsere Fehler treten klar zu Tage und die Notwendigkeit für Lektüre, Supervision, Weiterbildung oder Therapie ergibt sich von selbst.

 

Wenn ich versuche, ein guter Therapeut zu sein, klappt das nie. Es wird künstlich, und die Sitzung endet im Nichts. Und die Klienten fühlen sich am Ende beschissen, glauben, es sei ihr Fehler.

 

Wenn ich meine Nervosität vor jeder Sitzung akzeptiere, zittere ich vor Kälte und habe den Eindruck, daß ich mich für das, was in der kommenden Stunde möglich ist, öffne.

 

Ich arbeite in einem therapeutischen Rahmen, der bestimmt ist durch die festgelegte Zeit und begrenzt ist durch meine Erfahrungen, meine Ausbildung, meine persönlichen Schwächen und fragmentarischen Informationen. Ja, ich habe ein Ziel.

 

Angesichts von Klienten ist meine Verbindlichkeit meine einzige Antwort: Die Verbindlichkeit, meine Energie und meine Gefühle zu investieren und das Risiko einzugehen, mit den Klienten zu sein. Indem ich das tue, werde ich mit meinen eigenen Werten und therapeutischen Annahmen konfrontiert. Indem ich das mitteile, rufe ich die Klienten auf, das gleiche zu tun: laut zu sagen, was sie innerlich denken, ihre Hoffnungen und Befürchtungen zu offenbaren und das Unerträgliche zu ertragen. Auf eine bestimmte Weise sind wir Verbündete im gleichen Kampf.

 

Insofern ich den Weg meines Lebens akzeptiere, meinen eigenen Rhythmus des Wandels, meine schlechten Eigenschaften und meine eigenen Lebensprobleme, entsteht die Möglichkeit, daß meine Klienten aus den Verstecken kommen, um mir von Mensch zu Mensch zu begegnen in diesem Raum zwischen Reue und Angst, der Therapie genannt wird.

 

Heidegger hat gezeigt, daß es darum zu tun sei, sich die Dinge zu Herzen zu nehmen, sie zu nehmen, wie sie vor uns liegen, hier und jetzt, in der Gegenwart der Gegenwart.

 

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in »Cognica«, der Zeitschrift der »Canadian Guidance and Counselling Association« (November 1997), in »Guide Ressources« (Oktober 1997) und in »Psychothérapie Québec« (Januar 1998).


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Der wahre Wert des Ringes

 

"Komm, ich erzähl dir eine Geschichte"

Jorge Bucay

Wir hatten darüber gesprochen, wie wichtig es ist, Anerkennung und Wertschätzung von außen zu bekommen. Jorge hatte mir Maslows Theorie der hierarchisch angeordneten Bedürfnisse erklärt.
Wir alle gründen unsere Selbsteinschätzung darauf, wie sehr wir von anderen gemocht und respektiert werden. An diesem Tag hatte ich mich darüber beklagt, weder von meinen Eltern richtig für voll genommen zu werden, noch als der beste Kumpel meiner Freunde zu gelten und auch auf der Arbeit nicht die rechte Anerkennung zu bekommen.

»Es gibt da eine alte Geschichte«, sagte der Dicke und reichte mir den Mate, damit ich ihn aufgoß, »die handelt von einem jungen Mann, der einen Weisen um Hilfe ersucht. Dein Problem scheint mir dem seinen zu ähneln.«

»MEISTER, ICH BIN gekommen, weil ich mich so wertlos fühle, daß ich überhaupt nichts mit mir anzufangen weiß. Man sagt, ich sei ein Nichtsnutz, was ich anstelle, mache ich falsch, ich sei ungeschickt und dumm dazu. Meister, wie kann ich ein besserer Mensch werden? Was kann ich tun, damit die Leute eine höhere Meinung von mir haben?«
Ohne ihn anzusehen, sagte der Meister: »Es tut mir sehr leid, mein Junge, aber ich kann dir nicht helfen, weil ich zuerst mein eigenes Problem lösen muß. Vielleicht danach …«
Er machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Wenn du zuerst mir helfen würdest, könnte ich meine Sache schneller zu Ende bringen und mich im Anschluß eventuell deines Problems annehmen.«
»S … sehr gerne, Meister«, stotterte der junge Mann und spürte, wie er wieder einmal zurückgesetzt und seine Bedürfnisse hintangestellt wurden.
»Also gut«, fuhr der Meister fort. Er zog einen Ring vom kleinen Finger seiner linken Hand, gab ihn dem Jungen und sagte: »Nimm das Pferd, das draußen bereitsteht, und reite zum Markt. Ich muß diesen Ring verkaufen, weil ich eine Schuld zu begleichen habe. Du mußt unbedingt den bestmöglichen Preis dafür erzielen, und verkauf ihn auf keinen Fall für weniger als ein Goldstück. Geh und kehr so rasch wie möglich mit dem Goldstück zurück.«
Der Junge nahm den Ring und machte sich auf den Weg. Kaum auf dem Markt angekommen, pries er ihn den Händlern an, die ihn mit einigem Interesse begutachteten, bis der Junge den verlangten Preis nannte.
Als er das Goldstück ins Spiel brachte, lachten einige, die anderen wandten sich gleich ab, und nur ein einziger alter Mann war höflich genug, ihm zu erklären, daß ein Goldstück viel zu wertvoll sei, um es gegen einen Ring einzutauschen. Entgegenkommend bot ihm jemand ein Silberstück an, dazu einen Kupferbecher, aber der Junge hatte die Anweisung, nicht weniger als ein Goldstück zu akzeptieren, und lehnte das Angebot ab.
Nachdem er das Schmuckstück jedem einzelnen Marktbesucher gezeigt hatte, der seinen Weg kreuzte –und das waren nicht weniger als hundert –, stieg er, von seinem Mißerfolg vollkommen niedergeschlagen, auf sein Pferd und kehrte zurück.
Wie sehr wünschte sich der Junge, ein Goldstück zu besitzen, um es dem Meister zu überreichen und ihn von seinen Sorgen zu befreien, damit der ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte.
Er betrat das Zimmer.
»Meister«, sagte er, »es tut mir leid. Das, worum du mich gebeten hast, kann ich unmöglich leisten. Vielleicht hätte ich zwei oder drei Silberstücke dafür bekommen können, aber es ist mir nicht gelungen, jemanden über den wahren Wert des Ringes hinwegzutäuschen.«
»Was du sagst, ist sehr wichtig, mein junger Freund«, antwortete der Meister mit einem Lächeln.

»Wir müssen zuerst den wahren Wert des Rings in Erfahrung bringen. Steig wieder auf dein Pferd und reite zum Schmuckhändler. Wer könnte den Wert des Rings besser einschätzen als er? Sag ihm, daß du den Ring verkaufen möchtest, und frag ihn, wieviel er dir dafür gibt. Aber was immer er dir auch dafür bietet: Du verkaufst ihn nicht. Kehr mit dem Ring hierher zurück.«
Und erneut machte sich der Junge auf den Weg.
Der Schmuckhändler untersuchte den Ring im Licht einer Öllampe, er besah ihn durch seine Lupe, wog ihn und sagte:
»Mein Junge, richte dem Meister aus, wenn er jetzt gleich verkaufen will, kann ich ihm nicht mehr als achtundfünfzig Goldstücke für seinen Ring geben.«
»Achtundfünfzig Goldstücke?« rief der Junge aus.
»Ja«, antwortete der Schmuckhändler. »Ich weiß, daß man mit etwas Geduld sicherlich bis zu siebzig Goldstücke dafür bekommen kann, aber wenn es ein Notverkauf ist …«
Aufgewühlt eilte der Junge in das Haus des Meisters zurück und erzählte ihm, was geschehen war.
»Setz dich«, sagte der Meister, nachdem er ihn angehört hatte. »Du bist wie dieser Ring: ein Schmuckstück, kostbar und einzigartig. Und genau wie bei diesem Ring kann deinen wahren Wert nur ein Fachmann erkennen. Warum irrst du also durch dein Leben und erwartest, daß jeder x-beliebige um deinen Wert weiß?«
Und noch während er dies sagte, streifte er sich den Ring wieder über den kleinen Finger der linken Hand.

 

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Leere inmitten der Fülle

 

"Das  große Buch der Lebenskunst", S. 171

Anselm Grün


Foto: Ins Licht - René Kriesch

 

Menschen, die alles erreicht haben, wonach sie sich sehnen, werden oft von einem Gefühl innerer Leere heimgesucht. "Der eine mag zum Fußballer des Jahres ernannt werden, der andere summa cum laude promovieren, das Herz des perfekten Partners gewinnen oder so viel Geld verdienen, dass er oder sie den schon immer erstrebten Lebensstil finanzieren kann." (Christina Grof) Doch inmitten all der Fülle bleibt die innere Leere, und die Sehnsucht nach etwas ganz anderem wird sogar noch größer.

 

Nichts Irdisches, kein Erfolg, kein geliebter Mensch kann unsere innere Unruhe beruhigen. Wir werden erst zur Ruhe kommen, wenn wir die innere Quelle finden, die nie versiegt, die Geborgenheit und Heimat ist, aus der wir nie vertrieben werden, und eine Liebe, die sich nie auflöst und uns nicht zwischen den Fingern zerrinnt.

 

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Geh gut mit dir um

 

"Das große Buch der Lebenskunst", S. 164

Anselm Grün

 

Erkenne das Mütterliche in dir. Nimm das verletzte Kind in dir in deine mütterlichen Arme. Geh mütterlich mit dir selbst um. Dann brauchst du nicht dein Leben lang darauf zu warten, dass deine Mutter die Liebe gibt, nach der du dich sehnst, dass deine Mutter dir die Worte der Anerkennung und des Lobes sagt, die du so sehr brauchst. Sei dir selbst Mutter. Nimm dich selbst liebend in die Arme. Und schenke dir die Geborgenheit, die das verletzte und verwaiste Kind in dir braucht. In dir ist genügend Mütterlichkeit, weil du teilhast an Gottes mütterlicher Liebe und Kraft.

 

 

Foto: Prachtstück  - René Kriesch

 

 

 

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Der Sklave

 

"Shimriti. Von der Ignoranz zur Weisheit", S. 236

Jorge Bucay

(Freie Übersetzung aus dem Spanischen)

 

Die meisten von uns sind unbewusst mit folgendem arabischen Sprichwort einverstanden:

 

„Weckt den Sklaven nicht, vielleicht träumt er von der Freiheit“.

 

Der  weise Mann wird aber sagen: „Weckt den Sklaven! Besonders wenn er von der Freiheit träumt. Weckt ihn und zeigt ihm, dass er ein Sklave ist; nur durch diese Bewusstheit kann er vielleicht sich befreien!“

 

Foto: Sonne 2  - René Kriesch

 

 

 

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Der angekettete Elefant

 

"Komm, ich erzähl dir eine Geschichte"

Jorge Bucay

    »Ich kann nicht«, sagte ich. »Ich kann es einfach nicht.«
    »Bist du sicher?« fragte er mich.
    »Ja, nichts täte ich lieber, als mich vor sie hinzustellen und ihr zu sagen, was ich fühle... Aber ich weiß, daß ich es nicht kann.«

 

Der Dicke setzte sich im Schneidersitz in einen dieser fürchterlichen blauen Polstersessel in seinem Sprechzimmer. Er lächelte, sah mir in die Augen, senkte die Stimme wie immer, wenn er wollte, daß man ihm aufmerksam zuhörte, und sagte:
   »Komm, ich erzähl dir eine Geschichte.«
Und ohne ein Zeichen meiner Zustimmung abzuwarten, begann er zu erzählen...

Als ich ein kleiner Junge war, war ich vollkommen vom Zirkus fasziniert, und am meisten gefielen mir die Tiere. Vor allem der Elefant hatte es mir angetan. Wie ich später erfuhr, ist er das Lieblingstier vieler Kinder. Während der Zirkusvorstellung stellte das riesige Tier sein ungeheures Gewicht, seine eindrucksvolle Größe und seine Kraft zur Schau. Nach der Vorstellung aber und auch in der Zeit bis kurz vor seinem Auftritt blieb der Elefant immer am Fuß an einen kleinen Pflock angekettet.

 

Der Pflock war allerdings nichts weiter als ein winziges Stück Holz, das kaum ein paar Zentimeter tief in der Erde steckte. Und obwohl die Kette mächtig und schwer
war, stand für mich ganz außer Zweifel, daß ein Tier, das die Kraft hatte, einen Baum mitsamt der Wurzel auszureißen, sich mit Leichtigkeit von einem solchen Pflock befreien und fliehen konnte.
Dieses Rätsel beschäftigt mich bis heute.
Was hält ihn zurück?
Warum macht er sich nicht auf und davon?
Als Sechs- oder Siebenjähriger vertraute ich noch auf die Weisheit der Erwachsenen. Also fragte ich einen Lehrer, einen Vater oder Onkel nach dem Rätsel des Elefanten.
Einer von ihnen erklärte mir, der Elefant mache sich nicht aus dem Staub, weil er dressiert sei. Meine nächste Frage lag auf der Hand: »Und wenn er
dressiert ist, warum muß er dann noch angekettet werden?«
Ich erinnere mich nicht, je eine schlüssige Antwort darauf bekommen zu haben. Mit der Zeit vergaß ich das Rätsel um den angeketteten Elefanten und erinnerte mich nur dann wieder daran, wenn ich auf andere Menschen traf, die sich dieselbe Frage irgendwann auch schon einmal gestellt hatten.
Vor einigen Jahren fand ich heraus, daß zu meinem Glück doch schon jemand weise genug gewesen war, die Antwort auf die Frage zu finden:
Der Zirkuselefant flieht nicht, weil er schon seit frühester Kindheit an einen solchen Pflock gekettet ist.

 

Ich schloß die Augen und stellte mir den wehrlosen neugeborenen Elefanten am Pflock vor. Ich war mir sicher, daß er in diesem Moment schubst, zieht und schwitzt und sich zu befreien versucht. Und trotz aller Anstrengung gelingt es ihm nicht, weil dieser Pflock zu fest in der Erde steckt.
Ich stellte mir vor, daß er erschöpft einschläft und es am nächsten Tag gleich wieder probiert, und am nächsten Tag wieder, und am nächsten... Bis eines Tages, eines für seine Zukunft verhängnisvollen Tages, das Tier seine
Ohnmacht akzeptiert und sich in sein Schicksal fügt.
Dieser riesige, mächtige Elefant, den wir aus dem Zirkus kennen, flieht nicht, weil der Ärmste glaubt, daß er es nicht kann.
Allzu tief hat sich die Erinnerung daran, wie ohnmächtig er sich kurz nach seiner Geburt gefühlt hat, in sein Gedächtnis eingebrannt.
Und das Schlimme dabei ist, daß er diese Erinnerung nie wieder ernsthaft hinterfragt hat.
Nie wieder hat er versucht, seine Kraft auf die Probe zu stellen.

 

 

    »So ist es, Demian. Uns allen geht es ein bißchen so wie diesem Zirkuselefanten: Wir bewegen uns in der Welt, als wären wir an Hunderte von Pflöcken gekettet.

Wir glauben, einen ganzen Haufen Dinge nicht zu können, bloß weil wir sie ein einziges Mal, vor sehr langer Zeit, damals, als wir noch klein waren, ausprobiert haben und gescheitert sind.

Wir haben uns genauso verhalten wie der Elefant, und auch in unser Gedächtnis hat sich die Botschaft eingebrannt:
Ich kann das nicht, und ich werde es niemals können. Mit dieser Botschaft, der Botschaft, daß wir machtlos sind, sind wir groß geworden, und seitdem haben wir niemals mehr versucht, uns von unserem Pflock loszureißen.
Manchmal, wenn wir die Fußfesseln wieder spüren und mit den Ketten klirren, gerät uns der Pflock in den Blick, und wir denken: Ich kann nicht, und werde es niemals können.«
Jorge machte eine lange Pause. Dann rückte er ein Stück heran, setzte sich mir gegenüber auf den Boden und sprach weiter:
    »Genau dasselbe hast auch du erlebt, Demian. Dein
Leben ist von der Erinnerung an einen Demian geprägt, den es gar nicht mehr gibt und der nicht konnte.
Der einzige Weg herauszufinden, ob du etwas kannst oder nicht, ist, es auszuprobieren, und zwar mit vollem Einsatz. Aus ganzem Herzen!«

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